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Mina Witkojc in der Burger sorbischen Tracht

Mjertyn Spierka, 2020/11

Mina Witkojc - eine selbstbewußte Frau

Ach du mein Volk, du liebes, teures
»Ach narod naš, ty luby, drogi«

Serbski narod, 1923 (Dolnoserbske basnje 1925)

Der Burger Wendin Wilhelmine Wittka zum 45. Todestag (1893-1975)

Sie wird 1921 mit 28 Jahren wendische Dichterin und bekannt unter dem Künstlernamen
Mina Witkojc.

Es mutet wie Ironie auf ihr Leben an, dass sie es an einem 11. 11. verließ. Dabei war es nicht närrisch, war steinig, entbehrungsreich, unsicher, auch Gefahr bringend - und eigenwillig beschritten. Nur so konnte sie mit ihrer sensiblen und künstlerisch geschliffenen Lyrik die wendische Literatur erneuern und zur mutigen Journalistin werden.

Ihr literarischer Stern ging 1921 auf, versiegte in Verboten und 1937 im Exil, um 1945 bis 1947 noch einmal Höhepunkt zu werden, bevor sie in die Tschechoslowakei emigriert und fürderhin keine Zeile mehr schreibt.

Woher - wohin.

Das Mädchen Wilhelmine Wittka wird wie ihre Mutter Dienstmagd, lernt Blumenbinderin und ist Landarbeiterin.

Aufgewachsen in der Kate der Großmutter, auch beim Vater (Wirt der Pohlenz-Schänke), nahm sie den reichen Schatz an Mythologie und Liedgut der Spinte wie auch die Poesie des Kirchengesangbuches in Gottesfürchtigkeit in ihrer wendischen Muttersprache mit.

Das Mädchen, nun Dienstmagd, nahm dann in den eineinhalb Jahrzehnten vor der Weimarer Republik im Hause der Gönnerin Valeska Raedsch (Burger Kurhaus-Wirtin) und in besseren Berliner Haushalten wie auch bei Künstlern bürgerliches Leben, Literatur und Kunst in sich auf. Und sie versucht sich in deutschen Gedichten.

Im Jahr 1921 begegnet sie 28-jährig zufällig sorbischen nationalen Kreisen und erlangt das Bewußtsein ihrer wendischen Sprache und wendischen Volkstums. Im Gedicht »Frühling im Spreewald« spricht sie aus, was sie werden will: des Spreewalds Nachtigall.

Ein kleiner Sänger dort am Waldesrande
erzählt, was er im Mai will fröhlich tun:

»Ich bin die Nachtigall noch nicht im Lande,
doch soll die Hoffnung darauf in mir ruhn.«

Jad‘n ptešack spiwa na zelenem płośe
wót pśichodnego maja ariju:
»Ja njejsom hyšći syłojk w našom Błośe,
na njogo pak cu zbuźiś naźeju.«
»Nalěto w Błotach«, 1922 (Dolnoserbske basnje, 1925)

Auf ihr Burger Heimatdorf bleibt sie stolz auf Lebenszeit, gibt ihm mit poetischer Stimme Schönheit und Lob. Bereits Anfang 1922 ist sie Redakteurin für Wendisch in der Schmalerschen Verlagsbuchhandlung in Bautzen, nimmt dort und bei Reisen in die Tschechoslowakei slawophiles Gedankengut auf und legt mit klarem analytischem Verstand sondierend ihre Grundposition fest:

(1) »Sei selbst«,

um im Bewußtsein deiner Stärke, unabhängig im
Denken und Tun dem eigenen Volke konsequent zu dienen! Dabei bringt ihr das Talent, Sprache zu beherrschen und in gültige Poesie wie auch in moderne journalistische Texte zu gießen hohe Wirksamkeit.

Dein eignes Ich sollst du entdecken,
die Kräfte, die still in dir ruhn

und eh schon schlafend in dir stecken,
bis du sie weckst zu kühnem Tun.

»Což swójog‘ maš, to pytaj sebje,
na swóje mocy spomnjej se,
ak‘ spiju wót něga we tebje
a cakaju na zbuźenje! «
Buź swoj!, 1922 (Dolnoserbske basnje, 1925)

(2) Folge deinem Ideal!

Die sorbische/wendische Bewegung der zwanziger Jahre widerspiegelt politisch, auch kulturell, die Vielfältigkeit der Weimarer Republik. Neben der sorbisch/wendischen bürgerlich-nationalen Führung agieren kommunistisch orientierte wie auch konservativ eingestellte Kreise mit unterschiedlichem Einfluß. Aus dieser Vielfalt erwächst ihr eigenes, ein ideales Bild vom Werden und Sein ihres Volkes: Die Vision, sie nennt es »cowanje« (Träumen), Ihr Volk möge in einer zukunftsträchtigen freiheitlich-demokratischen Gesellschaft und in slawischer Verbundenheit leben.

Erwache, und sieh, wie die Sonne
im Osten dort glühend erschien
und leuchtende, goldene Strahlen
zu dir in die Lande trug hin.

»Nět wocuś, a glědaj, kak słyńcko
podzajtšo juž gorjej jo šło
a swěśece złośane pšugi
do kraja śi roznjasło jo!«
Cowanje, 1922 (Dolnoserbske basnje 1925)

Welche Bedeutung sollten diese Worte einmal haben? Ihr Zukunftsbild ist 1922 vage, ohne konkrete Vorstellung und mit wenig politischem Interesse, was der Leninsche Staat ist und wird. In ihren Augen sieht sie nun 1945 eine im Osten durch die Befreier entstehende gerechte Welt, für ihr Land eine bürgerlich-demokratische, die besser sein wird als die Weimarische, gegen deren Fehler sie gekämpft hat. Ihr slawophiles Denken verschmilzt mit diesem politischen Ziel zu einer Symbiose, zu einem friedlichen Gebilde, in dem ihr Volk einen würdigen Platz haben soll.

Diese Hoffnung findet kraftvolle Worte in dem Poem »Erfurtske spomnjeśa« (Erfurter Erinnerungen), das entsteht, als die Amerikaner, die Erfurt befreit hatten, abziehen, da das Land der sowjetischen Besatzungszone zugeschlagen wird. Sie widmet das Poem den »russischen Soldaten«, dem üblichen Wortgebrauch »Sowjetsoldaten« ausweichend!

Den russischen Soldaten zur Erinnerung
an ihre Ankunft in Erfurt 1985 mit herzlicher Dankbarkeit.

»Ruskim wojakam k spomnjeśu
na jich pśichad do Erfurta 1945 z wutšobneju źěkownosću.«

Manuskript im Sorbischen Kulturarchiv.

Nach 48 Versen Beschreibung von Bombennächten und Kriegsende gelten euphorische Worte den Monate später einziehenden Russen:

Wie ein Traum weicht gen Westen
buntfarbiges Heer, und die Zeitung tut kund:

Heut kommen die Russen!
Seid willkommen, ihr Brüder, wir warteten auf euch!
Sei Glück unsre Zukunft, Glück eurem Land!
Das Licht möge scheinen dem wendischen Volke,
jetzt und alle Zeit.

»Ak cowanje minjo se k wjacornej stronje
to pisane wojsko a nowiny gronje:
Źins pśidu k nam Ruse!
Ga witajśo, bratśi, k nam! Cakachmy na was!
Buź dobry waš pśichad, ak za nas tak za was!
Daj swětło a pśichod tek serbskemu rodu
nět na wšykne case.«

(Aus den Versen 48,51 und 53)

Ein Jahr später - zurückgekehrt in ihre Heimat - vergleicht sie in einem Sonett ihr Volk mit einem erwachenden Schmetterling (»Mjatel«) und ruft ihm zu:

Sieh, Frühling kam, aus dunklem Schlupf erwache,
dem Falter gleich zur Sonne hoch zu fliegen,
die Flügel sich in tausend Farben wiegen.

»Glej, nalěto jo pśišło, wocuś znowa,
kaž mjatel k słyńcu leś ze śamneg´ schowa,

až w tysec barwach se śi kśidła swěśe.«
Mjatel, 1946 (K swětłu a słyńcu, 1955)

Enttäuschend für die Dichterin: Beide Schöpfungen erreichen (wie auch manch andere) ihr Volk erst 1955 in »K swětłu a słyńcu«, Volk und Wissen 1955. Die Erstausgabe des Poems von 1947 ist tschechisch, eine Übertragung der Dichterin ins Russische bleibt unveröffentlicht.

Erste wendische Journalistin

Das Erblühen der Lyrik der Witkoje wird ergänzt durch ihre in den bewegten 20-er Jahren bedeutende journalistische Leistung. 1923 wird der Verlagsredakteurin die Erneuerung der 1848 gegründeten wendischen Wochenzeitung »Serbski Casnik« (Die Wendische Zeitung) anvertraut, die in den letzten Jahren unregelmäßig erschienen war. Dieses Periodikum wird der nun zwischen Bautzen und Niederlausitz unstet lebenden Literatin zur Bühne für Übersetzungen und eigene Gedichte, für Pflege wendischer Sprache und Kultur sowie slawophiler Interessen. Der mutigen Vertreterin aufstrebenden wendischen Lebens gelingt die inhaltliche und sprachliche Erneuerung des bisher in kaisertreuem Wort und Geist geschriebenen Wochenblattes.

Aus der Position heraus, dass sie die Existenz ihres Volkes in Rahmen dieser Weimarer Republik sieht, erwächst ihre kritische Haltung gegenüber deren Geschehen und Entwicklung. Sie wendet sich 1925 offen gegen die Wahl Hindenburgs zum Präsidenten. Er hatte 1918 die Novemberrevolution niedergeschlagen und vertritt reaktionärste militaristische Kreise:

»Die Wahl des deutschen Präsidenten aber ist für uns nicht nur als Bürger
des deutschen Staates wichtig, sie betrifft uns als Wenden auch direkt.

Wenn wir unsere Nationalität erhalten und weiter existieren wollen, dann
können wir nur einen republikanischen Präsidenten wählen, weil wir nur in
einer Republik erhoffen können, dass wir zu unseren kulturellen Rechten
kommen … Die Monarchie aber wird uns unsere Rechte nicht gewähren.«
Serbski Casnik 1925, Nr. 16

Die Journalistin durchwandert wendische Dörfer, wirbt Leser, wirkt mit eigenen Texten und Szenen aus dem Volksleben an kulturellen Abenden mit und ist Mitglied der geistig-kulturellen Muttergesellschaft »Maśica Serbska«. Nebenbei schreibt sie den wendischen Buchkalender »Pratyja«. Ihre klaren Worte, die Gabe, Gefühlen und Religiösem dichterische Kraft zu geben, finden Zuneigung und Wohlwollen beim einfachen Menschen. Hinter ihren Naturbildern stehen oft tiefere Gedanken. Sie ist unter der Intelligenz anerkannt und in den Dörfern gern gesehener Gast.

Die Seele

Zweifel und innere Bedrängnisse sind stetige Begleiter. Sie finden poetische Aussage, früh schon, auch in schweren Zeiten von Verbot, Exil und Emigration.

Bin ein kleines Lichtlein nur, ...
Schatten folgen mir.

»Swětałko som małučke, ...
śma ta za mnu slědujo.«
Swětałko som małučke, 1925 (Wěnašk błośańskich kwětkow 1934)

Sie lebt allein. Manche in Bautzen meinen, sie würde der Bewegung verloren gehen, wenn sie heiratet. Vielleicht sind es nur unglückliche Fügungen.

Ist dir der Liebe Glück erblüht
im trauten Heimatland?

Grüßt dich ein Herz, für dich erglüht,
hält dich der Deinen treues Band?

»Jo gluka tebje zakwitła
we lubej domowni?
Jo lubosć tebje witała
a sy mjaz swojimi?«
Jo gluka tebje zakwitła? 1925 (Dolnoserbske basnje 1925)

Mina Witkojc ist zur Zeit dieser Zeilen 32 Jahre. Auf diese bange Frage folgt 1925 eine sarkastische Antwort und 1937 ein ernster Rat:

Ein Sträußchen an der Brust,
zum Traualter viel Lust.

Doch nichts von allem ist gelungen,
der Kerl zum Fenster raus gesprungen ...

Ach Fritzchen, falsch ist dein Gewese,
du hast ein Herz wie alter Käse.

»Strusk som se pśipěła,
k wěrowanju by z nim šła,
ale won jo wuběgnuł,
z woknom jo se wusunuł ...

Frycko, twoja wutšoba
jo wot stareg twaroga.«
Wotpokazana lubosć, 1925 (Dolnoserbske basnje 1925)

Liebe Seele, wenn es dir nicht gut geht,
lass es nur niemanden spüren!                                   

»Luba duša, gaž śi derje njej,
bogadla to njedaj nikom cuś!
Rada, 1937 (K swětłu a słyńcu, 1955)

Dunkle Wolken

Mina Witkojc trägt den Stolz der sich emanzipierenden Frau der Weimarer Republik mit sich, hat vielerlei Kontakte zu offenen, aufgeklärten Geistern – aber sie gerät mehr und mehr ins Visier konservativer wendischer und politisch auch deutscher Kreise. Aber es sind Bautzener, unzufrieden mit ihrer Arbeit, und konservative wendische Pfarrer der Gesellschaft »Maśica Serbska« in der Niederlausitz, die sie 1930 aus der Redaktion des »Serbski Casnik« drängen.

Ihre politischen Aussagen sind zu deutlich. In einer ihrer letzten politischen Veröffentlichungen wendet sie sich klar gegen die Rassenpolitik:

»Wie wollen nichts von Rassen wissen - damit können sich Tauben-,
Katzen- und Hundezüchter beschäftigen - wir wollen unsere Sprache

haben und pflegen, denn in ihr ist unsere Seele und unser geistiges und
wendisches Leben!«
Serbski Casnik 1931, Nr 22

Mina Witkojc erhält Schreibverbot. Sie trägt die Loyalität der Gesellschaft »Maśica Serbska« gegenüber Hitler nicht mit und kleidet ihr offenes Wort zur Zerrissenheit der wendischen Bewegung 1935 in ein Gedicht, das aber erst 1955 veröffentlicht wird:

Sind wenig nur und nicht mal einig!
Im Streiten stark, im Lieben kläglich wenig.

»Nas malo jo a hyšći njejsmy zjadne!
Smy w zwadach mocne, w lubosći pak snadne.«

My Serby a naše wjedniki, 1935 (K swětłu a słyńcu, 1955)

Die führende wendische Literatin der bürgerlichen Endzeit hat ein gebrochenes Verhältnis zur inneren sorbischen Konstellation, zur Entwicklung in der Weimarer Republik, ein solches zum Nationalsozialismus und wird auch ein solches zum DDR-Sozialismus haben. Die sich 1946 schon bald abzeichnende reale politische Ordnung steht ihrem christlich-idealistischen Weltbild gegenüber.

Zwischenspiel und Abkehr

Im Spätsommer 1946 aus dem Erfurter Exil zurückgekehrt, wird Mina Witkojc ins sächsische Bautzen in den Vorstand der Domowina berufen, und im November 1946 in ihren zentralen Ausschuß gewählt. Sie ist zuständig für die Niederlausitz.

Aber Brandenburg verfolgt weiterhin alle Personen, die offen für das Wendische agieren. Sie wird wegen «illegaler« Tätigkeit für die Domowina in der Niederlausitz verhaftet. Diese Disharmonie - dass die neue Macht, die sie begeistert gefeiert hatte - der alten so sehr gleicht, enttäuscht sie. Auch scheint sie die Suche der Domowina, wie der marxistisch-leninistische Weg zur Lösung der Sorbenfrage sein wird, zu irritieren.

Mit Bitternis verläßt sie über Nacht dieses Land und ist beim Beginn der Regelung der Sorbenfrage für Brandenburg im Frühjahr 1947 nicht mehr in der Heimat. Sie findet Aufnahme bei tschechischen Freunden. Für etwa ein Jahr lebt sie auf Schloß Dobříš, dem Sitz tschechischer Schriftsteller.

Die stets unabhängige Mina Witkojc hatte ihr Herz an keines der Götzenbilder verloren, dafür aber oft Not gelitten. Nun in der Emigration verschließt sie ihr Ideal für immer still ins Herz. Auf Leben und Werk bleibt sie stolz. Zwei letzte Gedichte, verfasst im Winter 1947 auf Schloß Dobříš geben Auskunft.

Vom Fenster des Schlosses aus bietet sich eine bergige, tief verschneite Landschaft unendlicher Stille. Darin sitzt schlafend »w běłej polce« (in weißer Trachtenjacke) der Berg. Es schneit.

Umfange mich, du weiße Pracht,
die ganze Welt, so es dein Wille ...
Mein Herz erreicht nicht dumpfe Nacht,
nicht des Schweigens bittre Stille ...

»Zawalśo mě z běłym proškom
sněžki, ceły swět, gaž cośo ...
Wutšobu mě z měkim meškom
k spanju zasłaś njebuźośo ...«
Pśi woknje, 1947 (Serbska poezija, 1973: Za woknom; 2. Fassung von 1955: )

Die wendische Poesie der Witkojc ist blumig, aber ihr Wollen und Wirken verweht. Und was der verschneiten Landschaft anvertraut wird, ist wie ein Abschied - und wird erst viele Jahre später veröffentlicht.

Gib, Gott, wenn sich die Zeit erfüllt,
dass uns die Träume der Jugend wärmen:

Seht, wir haben euch nicht belogen,
unsere Taten sich Früchte
wie Blumen.           

»Daj, Božo, gaž społni se cas,
rane sni młodosći zgrěju nas:
Glej, njejsmy wam łdgali,
smy płody wam dali
kaž kwěty.«
Sni tak ak’ žwały du ..., 1947 (Serbska poezija, 1973: Žwały a cowanja du ...; 2. Fassung von 1955)

In den folgenden Jahren ist Mina Witkojc aufgenommen in das Haus der »Freundesgesellschaft der Sorben« in Prag, dem ehemaligen Wendischen Seminar.

Abendlicht

Der Kreis schließt sich 1954. Das Haus Wendisches Seminar wird geschlossen, gleichzeitig bittet man sie, in die Heimat zurückzukehren. Sie fährt nach Bautzen. Wiederum wird sie aufgehalten. An der tschechischen Grenze hält man ihre Manuskripte für politische Schmuggelware.

Die 61-jährige arbeitet kurze Zeit im Domowina-Verlag an einer Ausgabe ihrer Gedichte. Passt sie sich an? In einzelnen Gedichten verändern sich religiöse Zeilen und das Wort »Gott« entfällt.

Sie hat 1957 - ein Kompromiss? - beim Bundeskongress der Domowina im Präsidium gesessen (in Festtracht mit dunkler Haube), 1964 den Ćišinski-Preis erhalten, sie wird geehrt, nimmt hier und da teil, ist distanziert. Auf dem Burger Festplatz sieht die greise Dichterin den Heimatspielen zu. Einen literarischen Frühling gibt es nicht.

Auffällig: Ein vom Rat der Stadt Cottbus 1976 posthum herausgegebenes zweisprachiges Bändchen ihrer Gedichte benutzt als Titelbild ein Gemälde von Jurij Hajna (1922, Öl), das die junge Burger Kirchgängerin Wilhelmine Wittka in dunkler Tracht zeigt, das Gesangbuch auf dem Schoß mit drei leuchtenden gelben Blümchen: Hände, Buch und Blümchen sind abgeschnitten.

Die einst leuchtende Gestalt wendisch-sorbischer Bewegung und Literatur lebt die letzten 20 Jahre in Verhältnissen wie in ihrer Kindheit: in einer Burger Kate, primitiv, ärmlich, zufrieden. - Verträumt in die weite Landschaft blickend, erscheint ihr ein Bild. Sie sieht sich als Mädchen mit einer Nachtigall unterhaltend und ihr etwas versprechen. Hatte sie nicht J. Bart-Ćišinskis Gedicht »Syłojk« (Nachtigall) einst ins Wendische übertragen?

Das Mädchen sitzt im Feld zu ernten
und flüstert hin zur Nachtigall:

Dein Lied bewegt mich tief im Herzen,
was in ihm ist's, das mich erweckt?

»Na łuce źowćo tšawu žnějo
a ze syłojkom powěda:
Kak spiw twój do wutšoby grějo
a co ga w njej mě wubuźa?«

Wer sie besucht und in ihr erhabenes Gesicht schaut, sieht hinter dem stillen, warmen Glanz ihrer Augen eine ungelöschte Liebe. Ihre Briefe an die Redaktion des »Nowy Casnik« signiert die Greisin mit M. Witkojc, als Absender gibt sie an: W. Wittka. Die Schrift ist krakelig, kaum lesbar ...

Foto: Serbski kulturny archiw/Sorbisches Kulturarchiv, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90948991


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